Carles Puigdemont trägt die gelbe Schlaufe: Das Zeichen für die Unabhängigkeit Kataloniens. Bild: EPA/EPA
Der frühere katalanische Regierungschef Carles Puigdemont darf nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) in Schleswig von Deutschland an Spanien ausgeliefert werden.
«Das OLG hat heute Morgen entschieden, dass eine Auslieferung wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder zulässig ist», sagte eine Gerichtssprecherin am Donnerstag. Eine Auslieferung wegen des Vorwurfs der Rebellion habe das Gericht dagegen für nicht zulässig erklärt. Puigdemont bleibe auf freiem Fuss, da das Gericht keine Fluchtgefahr sehe, hiess es weiter. Die Auslieferung müsse allerdings noch von der Generalstaatsanwaltschaft bewilligt werden.
Ein Ausmaß an Gewalt, wie es der Hochverrats-Paragraph vorsehe, sei durch die Auseinandersetzungen in Spanien nicht erreicht worden. Landfriedensbruchs liegt in den Augen der Richter ebenfalls nicht vor, weil Puigdemont kein «geistiger Anführer» von Gewalttätigkeiten gewesen sei. Er habe lediglich das Referendum durchführen wollen.
Der Präsident der Generalitat von Katalonien zeigt sich auf Twitter erfreut über das Urteil:
«Eine grossartige Neuigkeit! Ich bin sehr froh für den Präsidenten und es zeigt einmal mehr den Betrug und die Lügen einer Rechtslage, die niemals hätte beginnen dürfen. Es wird in Europa sein, wo wir gewinnen werden.»
Die Twitter-Follower von Quim Torra scheinen seine Meinung allerdings nicht zu teilen:
«Tolle Neuigkeiten? Er wird viele Jahre im Gefängnis verbringen und sobald er dort ist, wird er für Verbrechen verantwortlich gemacht, die sich mindestens auf 20 Jahre belaufen.»
«Sie haben eine sehr seltsame Vorstellung von ‹guten Neuigkeiten›.»
Puigdemont floh nach der Ausrufung der Unabhängigkeit im Oktober vor den Ermittlungen der Justiz nach Belgien. In Deutschland wurde er aufgrund eines europäischen Haftbefehls Spaniens am 25. März auf der Durchreise festgenommen und in Neumünster inhaftiert. Er war über Dänemark nach Deutschland gekommen.
Die spanischen Behörden legen Puigdemont zur Last, mit einem Referendum über die Abspaltung Kataloniens gegen die Verfassung verstossen zu haben. Zudem soll er für die Volksabstimmung mehr als eineinhalb Millionen Euro veruntreut haben.
Da Puigdemont nun aber nur wegen Veruntreuung und nicht wegen Rebellion ausgeliefert werden soll, kann die spanische Justiz den ehemaligen Regierungschef auch nur wegen Veruntreuung anklagen, nicht aber der Rebellion. Für letzteres würde ihm eine Haftstrafe von bis zu 25 Jahren drohen, bei Veruntreuung sind dies bis zu 8 Jahre.
Die Justiz Spaniens bringt dies in eine Bredouille: Augenblicklich ist sie daran, mehreren Mitgliedern der ehemaligen katalanischen Regionalregierung wegen Rebellion den Prozess machen. Ihren Anführer, Puigdemont, kann sie deswegen nun aber nicht anklagen. Dass sich die untergeordneten Minister wegen Rebellion verantworten müssen, nicht aber ihr Anführer, ist äusserst seltsam.
(sda/dpa/afp/doz)
Video: srf