Auf dem Schlepperboot: Franck Genauzeau (links) hat 60 Flüchtlinge bei der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland begleitet.
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24 Stunden haben sich die Flüchtlinge im dichten Buschwerk an der türkischen Küste versteckt: Dann erreicht das Schlepperboot die Küste. Die Schlepper rufen den irakischen und syrischen Flüchtlingen zu, aufs Boot zu kommen: «Come on, it's safe!».
Von Assos nach Lesbos: Vier Stunden Fahrt durch die Ägäis.
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Franck Genauzeau und Giona Messin, halten die Szene mit einer Kamera vom Schlepperboot aus fest. Den beiden französischen Journalisten gelang es, die Schleuser davon zu überzeugen, die gefährliche Überfahrt vom türkischen Festland auf die griechische Insel Lesbos zu dokumentieren – was der Deal mit den Schleppern beinhaltete, ist nicht bekannt.
Mit Schwimmwesten ausgestattet – kaum einer der Schutzsuchenden aus Syrien und Irak kann schwimmen – waten die gut 60 Menschen durch knietiefes Wasser zum lottrigen Kahn. Kinder weinen, Schlepper, in Adiletten und nur mit Unterhosen bekleidet, gestikulieren wild, einzelne Flüchtlinge werden gezwungen, wieder über die Reling zu klettern und das Boot, das auf einer Sandbank aufgelaufen ist, anzuschieben.
Dann springen die Schlepper über Bord und überlassen die Flüchtlinge ihrem Schicksal: Vor ihnen steht eine vierstündige Überfahrt durch die unruhige ägäische See nach Lesbos. Für Dutzende wurde die Meerenge zwischen der Türkei und Griechenland bereits zum feuchten Grab.
Drohgebärde vor der Abfahrt: Ein Schlepper hält eine Pistole in die Luft, um die Flüchtlinge zur Eile zu mahnen.
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Die Flüchtlingskrise ist in den Nachrichten allgegenwärtig. Kein Tag vergeht, ohne neue Bilder aus Ungarn, Serbien, Griechenland oder Lampedusa. Und dennoch: Was die zwei Journalisten des französischen Fernsehsenders France 24 in ihrer Reportage zeigen, ist in dieser Intensität selten in die Stuben der europäischen Haushalte geflimmert.
Die Schlepper machen mit der Not der Flüchtlinge ein gutes Geschäft: 2000 Euro kostet die Überfahrt für einen Erwachsenen, 1500 Euro für ein Kind – macht 100'000 Euro für die Schlepper.
Mittlerweile ist die Nacht angebrochen. Drei Kilometer vor der Küste des griechischen Ferienparadieses Lesbos fällt der altersschwache Motor aus. Die Kamera blickt in ungläubige Gesichter, Stossgebete werden in den Himmel gesandt. Mit der Taschenlampen-Funktion ihrer Handys versuchen die verzweifelten Flüchtlinge, andere Schiffe aus sich aufmerksam zu machen. Die beiden Reporter senden mittels Satellitentelefon ihre GPS-Koordinaten ans Festland.
Dann taucht aus der Tiefe der Nacht eine griechischer Fischkutter auf. Der Fischer wirft ihnen ein Schlepptau zu und bringt das Boot sicher an Land. «Thank you, Greece» schallt es über den Hafen.
Für die Flüchtlinge in Lesbos ist die Reise aber noch nicht zu Ende: Niemand will in Griechenland bleiben, Mitteleuropa ist das Ziel, fast alle nach «Germany».
Ein Berg von Schwimmwesten: So sieht es nach der Ankunft des Flüchtlingsboots an der griechischen Küste aus.
Laut Angaben der internationalen Organisation für Migration haben in diesem Jahr 430'000 Schutzsuchende Europa auf dem Seeweg erreicht, Tausende sind bei der Überfahrt ums Leben gekommen. (wst)
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