Fand trotz Corona statt: der Einsiedler Sühudiumzug. Bild: ch media
Hunderte Fasnächtler zogen am Fasnachtsmontag in Einsiedeln durchs Dorf. Mehr als Tausend Zuschauer wohnten dem närrischen Treiben bei. Nach knapp zwei Wochen folgt die Erleichterung: Der Südhudiumzug hat die Coronazahlen nicht in die Höhe getrieben.
Die Wogen gingen hoch in den sozialen und den klassischen Medien. Für die einen waren die Einsiedler Helden der Freiheit, für die anderen unsolidarische Hinterwäldler, die völlig verantwortungslos die Pandemie anheizen. Den Stoff für die Kontroverse lieferte der Sühudiumzug. Trotz Versammlungsverbot zogen am Montagmorgen vor einer Woche Hunderte Fasnächtler durchs Dorf, mehr als tausend Zuschauer wohnten bei Minustemperaturen der illegalen Massenversammlung bei, Schutzmasken trug fast niemand.
Die überrumpelte Schwyzer Kantonspolizei liess den Umzug gewähren. Im Verlauf des Tages löste sie dann weitere Versammlungen auf, verteilte Bussen und griff spätabends in Vollmontur gegen Pöbler durch.
Doch wie hat sich das närrische Treiben auf die Coronazahlen ausgewirkt? Knapp zwei Wochen nach dem spontanen Freiluftexperiment macht sich im Klosterdorf Erleichterung breit: Der Sühudiumzug, dieser anarchische Anlass ohne offiziellen Organisator, war kein Superspreader-Event. Am Tag des Umzugs vermeldete der Kanton Schwyz für Einsiedeln 12 mit dem Coronavirus infizierte Personen.
Bild: ch media
Am Freitag (26. Februar) waren es noch sieben. Auch im ganzen Kanton sinkt die Zahl der Neuinfektionen tendenziell. «Es ist erfreulich, dass zurzeit keine vermehrten Infektionen festgestellt wurden», sagt Roland Wespi, Vorsteher des Amtes für Gesundheit des Kantons Schwyz. Das Spital Einsiedeln hat eine andere Sicht. Eine Sprecherin berichtet, nach dem Sühudiumzug seien im Spital mehr Personen positiv auf das Coronavirus getestet worden. Zudem mussten drei Coronapatienten mit Atemproblemen in andere Spitäler verlegt werden.
Massentests gab es in Einsiedeln keine. Wespi vom Amt für Gesundheit sagt: «Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu vermehrten Infektionen mit Covid-19 kommt, ist bei einer Massenveranstaltung respektive bei vielen Kontakten selbstverständlich erhöht.»
Ab Anfang März erlaubt der Bundesrat im Freien wieder Treffen von maximal 15 Personen. Könnte er angesichts der Erfahrungen von Einsiedeln eine lockere Gangart einschlagen? Das Bundesamt für Gesundheit warnt: «Man kann keine Schlüsse ziehen aus einem Anlass, bei dem es vielleicht dank Glück das Infektionsgeschehen nicht befeuert hat», sagte Virgine Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle, am Freitag vor den Medien.
Es sei nicht der richtige Moment, Risiken einzugehen und die 15er-Grenze anzuheben. Martin Ackermann, Chef der Covid-19-Taskforce, doppelte nach: Aus wissenschaftlicher Sicht könne man nicht schlussfolgern, dass man Grossveranstaltungen im Freien wieder zulassen könne. «Wenn die Mobilität steigt und sich viele Leute treffen, die sich nicht kennen, steigt das Infektionsrisiko.» Und die Berner Kantonsärztin Linda Nartey gab zu bedenken: «Viele Ereignisse wie in Einsiedeln könnten zu einem anderen Bild führen.»
Bild: ch media
Erleichtert über die guten Nachrichten aus seiner Heimat ist Alois Gmür. Der Mitte-Nationalrat hatte die Fasnächtler verteidigt und sich damit heftige Kritik eingehandelt. «Der Sühudiumzug ist ein starkes Indiz, dass die Ansteckungsgefahr draussen deutlich tiefer ist», sagt der Mitte-Nationalrat.
Vielleicht, so erzählt man sich schmunzelnd in Einsiedeln, hielt auch die Muttergottes wundersam ihre schützende Hand über den Wallfahrtsort. (aargauerzeitung.ch)